Das wechselseitige Sicherheitsbedürfnis von Baufirmen und Immobilienentwicklern

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Am Beginn eines Bauprojektes steht bei neuen Partnern fast immer ein ungutes Gefühl. Die Baufirma sorgt sich, ob der Entwickler zahlen kann und will. Der Entwickler sorgt sich, ob die Baufirma wirklich fertig baut. Beide Sorgen sind verständlich, geht es doch immer um sehr viel Geld.

Um die diffuse Angst der Parteien zu reduzieren wurden im Laufe der Zeit diverse Sicherstellungsregelungen entwickelt.

Zu den wichtigsten zählen:

Erfüllungsgarantie lt. ÖNORM B 2110 Pkt. 8.7.1:

„Wurde eine Kaution vereinbart, ist sie, wenn nichts anderes vereinbart ist, binnen 14 Tagen nach Vertragsabschluss zu leisten. Ein Vertragspartner kann während der vertraglichen Leistungsfrist vom anderen Vertragspartner eine Sicherstellung für die zu erbringenden Leistungen bis zur Höhe von 20 % der Auftragssumme (des zivilrechtlichen Preises) verlangen. Diese Sicherstellung ist binnen 14 Tagen nach Aufforderung zu übergeben und darf nur dann in Anspruch genommen werden, wenn über das Vermögen des die Sicherstellung leistenden Vertragspartners ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde oder ein rechtskräftiges Urteil über die besicherte Leistung zu Gunsten des Vertragspartners, der die Sicherstellung verlangt hat, ergangen ist. Die Kosten der Sicherstellungsleistung hat der begünstigte Vertragspartner, Zug um Zug mit dem Empfang der Sicherstellung, jedoch in der Höhe von nicht mehr als 1 % p.a. der Höhe der Sicherstellung, zu tragen. Ist bezüglich der Rückzahlung der Kaution nichts anderes vereinbart, ist sie entsprechend der Verminderung der durch die Kaution zu sichernden Verpflichtungen des Vertragspartners, spätestens jedoch 30 Tage nach Erfüllung derselben, zurückzustellen.“

Garantie nach 1170b ABGB:

„(1) Der Unternehmer eines Bauwerks, einer Außenanlage zu einem Bauwerk oder eines Teils hievon kann vom Besteller ab Vertragsabschluss für das noch ausstehende Entgelt eine Sicherstellung bis zur Höhe eines Fünftels des vereinbarten Entgelts, bei Verträgen, die innerhalb von drei Monaten zu erfüllen sind, aber bis zur Höhe von zwei Fünfteln des vereinbarten Entgelts, verlangen. Dieses Recht kann nicht abbedungen werden. Als Sicherstellung können Bargeld, Bareinlagen, Sparbücher, Bankgarantien oder Versicherungen dienen. Die Kosten der Sicherstellung hat der Sicherungsnehmer zu tragen, soweit sie pro Jahr zwei von Hundert der Sicherungssumme nicht übersteigen. Die Kostentragungspflicht entfällt, wenn die Sicherheit nur mehr wegen Einwendungen des Bestellers gegen den Entgeltanspruch aufrechterhalten werden muss und die Einwendungen sich als unbegründet erweisen.

(2) Sicherstellungen nach Abs. 1 sind binnen angemessener, vom Unternehmer festzusetzender Frist zu leisten. Kommt der Besteller dem Verlangen des Unternehmers auf Leistung einer Sicherstellung nicht, nicht ausreichend oder nicht rechtzeitig nach, so kann der Unternehmer seine Leistung verweigern und unter Setzung einer angemessenen Nachfrist die Vertragsaufhebung erklären (§ 1168 Abs. 2).

(3) Abs. 1 und 2 gelten nicht, wenn der Werkbesteller eine juristische Person des öffentlichen Rechts oder ein Verbraucher im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 2 und Abs. 3 KSchG ist.“

Im Gegensatz zur in der ÖNORM geregelten Erfüllungsgarantie ist die ABGB Regelung nicht abbedingbar und bietet der Baufirma zahlreiche Einsatzmöglichkeiten. So kann die Baufirma theoretisch gleich nach Unterschrift des Vertrages die Leistung einstellen und die Garantie ziehen. Der Bauträger müsste überweisen und im worst case jahrelang streiten. Alternativ kann die Baufirma fertig bauen, die Schlussrechnung legen und im Falle einer eventuell auch berechtigten Kürzung im Gegenzug die Garantie ziehen. Auch hier müsste der Entwickler den vollen Betrag zahlen und danach prozessieren.

Umgekehrt könnte der Entwickler eine Rechnung zu Unrecht kürzen oder gar nicht bezahlen und im Falle einer moralisch durchaus verständlichen Leistungseinstellung seitens der Baufirma die Erfüllungsgarantie ziehen.

Die Möglichkeit des missbräuchlichen Einsatzes ist jeder abstrakten Garantie immanent, da vor Auszahlung keine inhaltliche Prüfung stattfindet. Durchaus interessant erscheint die Frage, ob der Gesetzgeber bei der Formulierung des 1170b ABGB tatsächlich zwingend eine abstrakte Garantie (eine andere wird in der Praxis derzeit nicht akzeptiert) im Sinne hatte. Ich bin in meiner beruflichen Praxis schon Juristen begegnet, die diesbezüglich Interpretationsspielraum sehen und man darf gespannt sein, ob dies früher oder später ausjudiziert wird.

In Summe bekommt man oftmals das Gefühl, dass die Sorgen durch die Sicherstellungsmöglichkeiten eher größer als kleiner geworden sind.

Was können die Parteien also tun, um ihre Sorgen zu reduzieren?

Hinsichtlich der aus den o.a. Sicherstellungsmöglichkeiten resultierenden Sorgen besteht inhaltlich die Möglichkeit zur Vereinbarung eines Waffenstillstandes nach dem Motto „Du verlangst keine Garantie von mir, ich verlange keine von dir“. Schwieriger ist eine juristisch saubere Umsetzung eines solchen „gentlemen agreements“, da eine vertragliche Verlinkung nicht rechtswirksam ist.

Hinsichtlich des grundsätzlichen Problems, dass Bauen teuer ist und eine Baustelle von irgendjemandem vorfinanziert werden muss, erscheint der Vorschlag von kurzen Rechnungslegungs- und Zahlungszyklen (z.B. wöchentliche/14-tägige Kollaudierung und Rechnungslegung mit 7/14 Tagen Zahlungsfrist) pragmatisch.